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![]() Clemens J. Setz - Die Stunde ... ... zwischen Frau und Gitarre". Wenn die Protagonistin ihre Essensgeräusche aufnimmt und in der Badewanne mit gefüllten Kondomen planscht, dann ist man in der wunderlichen Welt von C. J. Setz gelandet.
Natalie ist Besitzerin einer imaginären Schultermaus, besorgt es Männern gerne oral (um danach mit den gefüllten Kondomen in der Wanne zu plantschen) und nimmt mit dem iPhone ihre eigenen Essensgeräusche auf, die sie sich später über Kopfhörer anhört. Sie führt außerdem liebend gern "Noseq"-Gespräche (Nonseq ist ein von Setz erfundenes Kunstwort aus "non sequitur"; zusammenhanglose Rede) per Chatroom mit ihrem Ex-Freund Markus und ihrem Bruder Karl, der in Dänemark lebt. Als Kind litt Natalie an Grand-Mal-Anfällen (Epilepsie).
Beruflich arbeitet die junge Frau als Betreuerin in einem Wohnheim für geistig und körperlich beeinträchtigte Menschen. Einer ihrer Klienten, der im Rollstuhl sitzende Alexander Dorm, bekommt immer nur von Dr. Hollberg, den er verliebt "Chris" nennt, Besuch. Das eigenartige an diesen regelmäßig stattfindenden Besuchen ist, dass Dorm das Leben von Hollberg zerstört hat, in dem er ihn massiv stalkte und sich seine Frau deshalb das Leben nahm. Dorm hasst Frauen und bezeichnet sie als "verkleidete Gitarren". Schon bald merkt Natalie, dass Hollberg nur deshalb ins Wohnheim kommt, um sich an Dorm zu rächen und ihn zu quälen. Dieser frisst seinem Besucher förmlich aus der Hand, lässt sich alles von ihm gefallen. Natalie verstören diese Zusammentreffen und sie versucht, mit ihren Kolleginnen darüber zu sprechen, aber man erklärt ihr, dass es ein wenig dauert, bis man sich an dieses spezielle Arrangement gewöhnt hat. Um den Belastungen im Job zumindest teilweise entkommen zu können, dröhnt sich Natalie mit Tabletten zu, sieht Live-Sendungen oder geht ins Souterrain, einem "OpenSapce", um dort mit anderen Leuten abzuhängen und sich zu betrinken. Eines Tages lernt sie dort Mario kennen und verliebt sich in den schüchternen Mann, von dem sie erst gegen Ende des Buches erfährt, womit er sich sein Geld verdient hat (die Leserschaft erahnt es schon früher). Da die Situation im Wohnheim immer mehr zur Belastung und Hollberg ihr mehr und mehr unheimlicher wird, bittet sie Mario, ihn für sie zu "beschatten".
"... Ein Oberkörper wie ein Sack voller Geweihe. Eine Arbeit in einem Heim voller Wahnsinniger. Ein Stalker, der als Kopf-Drachen in einem Fenster erscheint und ölverschmierte Vögel mit der Post verschickt, lebend. ..." "Jedes Mal wenn einem weit entfernten Blitz, dem letzten Wetterleuchten des abziehenden Gewittersturms, kein Donnern mehr folgte, musste sie sich räuspern, weil die Welt sonst aus dem Takt geriet und asymmetrisch wurde." "Die Stunde zwischen Frau und Gitarre" ist eine Herausforderung, die sich lohnt. Das Buch saugt einen rasant ein, wirbelt einen durch, zerrt an den Nerven und gibt Kopf und Herz erst dann wieder vollständig frei, wenn man es fertig gelesen hat.
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